Was umfasst das Barvermögen im Rahmen der Erfüllung eines Vermächtnisses?

Das OLG Oldenburg hat in seinem Urteil vom 20.12.2023 entschieden, dass das Barvermögen das gesamte Geld umfasst, das sofort, also auch über Kartenzahlung, verfügbar ist. Dabei fallen Wertpapiere gerade nicht unter den Begriff des Barvermögens. Wertpapiere werden mit dem erweiterten Begriff des Kapitalvermögens abgedeckt, der das Barvermögen einschließlich weiterer Kapitalwerte in Geld beschreibt (vgl. OLG Oldenburg, Urt. V. 20.12.2023 – 3 U 8/23 🔗).

Der zugrundeliegende Sachverhalt:

Die Parteien streiten um die Erfüllung eines Vermächtnisses und hierbei um den Begriff des Barvermögens. Die Klägerin ist eines von vier Kindern. Der Erblasser setzte die Beklagten mit notariellem Testament als seine Erben ein. Im Testament beschwerte der Erblasser die Beklagte mit folgendem Vermächtnis zugunsten der Klägerin: „Das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu einem 1/3 Anteil an meine Tochter (Klägerin) ausgezahlt werden.“

Die Klägerin begehrte im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des gesamten Kapitalvermögens. Nach erteilter Auskunft der Beklagten beläuft sich das Kapitalvermögen des Erblassers (Depotwerte und Bankguthaben) auf insgesamt 192.108, 98 €. Dieses teilte sich auf in Kontovermögen bei einer Bank i.H.v. 152.778,88 €, in einen Genossenschaftsanteil i.H.v. 3.000,00 €, in Depotvermögen i.H.v. 34.291,87 € und in Bargeld i.H.v. 2.038,23 €.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass der Erblasser unter dem Begriff „Barvermögen“ seine gesamten liquiden Mittel, und somit insbesondere auch sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere und Bargeld meinte.

1. Instanz

Das Landgericht teilte diese Auffassung mit Urteil vom 21. April 2023 und verurteilte die Beklagten an die Klägerin 64.036,32 € zu zahlen. Als Begründung führte das Landgericht an, dass der Klägerin ein Anspruch gem. §§ 2147 🔗, 2174 BGB 🔗 zustehe. Nach Ansicht des Landgerichts bedürfe es einer sog. erläuternden Testamentsauslegung, um den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Im Rahmen dieser Auslegung gelangte das Landgericht zu dem Schluss, dass der Erblasser eine vollumfängliche Regelung treffen wollte, welche nicht nur Bargeld im engeren Sinne, sondern auch Geldwerte im Rahmen des Kapitalvermögens umfasst. Das Testament enthalte ein Vermächtnis, wonach das Barvermögen im Sinne des Kapitalvermögens inklusive Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapieren und Bargeld im engeren Sinne zu 1/3 an die Klägerin auszuzahlen ist.

2. Instanz

Gegen diese Entscheidung legten die Beklagten form- und fristgerecht Berufung ein. Zur Begründung führten sie an, dass, hätte der Erblasser das Vermächtnis auch auf sein Kapitalvermögen beziehen wollen, er dies in seinem Testament hätte aufnehmen lassen müssen. Dies sei vorliegend aber gerade nicht der Fall. Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 51.605,70 € und nicht von 64.036,32 €.

Das OLG führt in seiner Entscheidung aus, dass es richtig gewesen sei, den tatsächlichen Willen des Erblassers im Rahmen der sog. erläuternden Testamentsauslegung zu erforschen. Der Begriff des Barvermögens umfasst in der heutigen Zeit des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht nur das Bargeld im engeren Sinne sondern auch das gesamte auf Banken befindliche Geld, das sofort, also auch über Kartenzahlung, verfügbar ist. Wertpapiere fallen allerdings nicht darunter. Der Klägerin gelangte es nicht zu beweisen, dass vom Willen des Erblasser, entgegen der grundsätzlichen Begriffsbestimmung des Begriffs „Barvermögen“, das gesamte Kapitalvermögen umfasst gewesen sein soll.

Ergebnis

Insgesamt zählt zum Barvermögen des Erblassers das Bargeld (im engeren Sinne) i.H.v. 2.038,23 € und sein Bankguthaben i.H.v. 152.778,88 €. Mithin insgesamt 154.817,11 €, sodass sich der Anspruch der Klägerin auf 51.605,70 € (1/3) beläuft und nicht auf 64.026,32 €, wie dies das Landgericht zunächst urteilte.

 

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