Kann neben einer Stufenklage gleichzeitig ein Abschlag auf den Pflichtteil geltend gemacht werden?

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied in einem Urteil vom 12.12.2023, Az. 14 U 135/23 🔗, dass der Erlass eines Teilurteils hinsichtlich der Zahlung eines Abschlags auf den Pflichtteil, gemäß § 301 ZPO 🔗 – neben einer Stufenklage – ausscheidet, wenn der Wert des Nachlasses zwischen den Parteien nicht unstreitig ist, da ansonsten die Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Erblasser war der gemeinsame Vater der Klägerin und der beiden Beklagten. Mit handschriftlichen Testament setze der Erblasser die beiden Beklagten zu seinen Erben ein und die Klägerin auf den Pflichtteil.

Trotz Aufforderung der Klägerin unter Fristsetzung erteilten die Beklagten lediglich ein vorläufiges, lückenhaftes und nicht ganz fehlerfrei bezeichnetes Nachlassverzeichnis und legten Verkehrswertgutachten hinsichtlich der Immobilien vor. Das vorläufige Nachlassverzeichnis wies einen saldierten Nachlassgesamtwert von 251.385,20 € aus. Über die Höhe des Nachlasses bestand Uneinigkeit. Die Klägerin ging von einem saldierten Nachlasswert von mindestens 354.795,96 € aus. Ihr 1/6 Pflichtteilsanspruch würde sich danach auf 59.132,66 € belaufen. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung eines Abschlags in Höhe von 50.000,00 € auf. Eine Zahlung erfolgte jedoch nicht.

Im Wege einer Stufenklage nahm die Klägerin die Beklagten sodann auf den Pflichtteil und gegebenenfalls auf Pflichtteilsergänzung, einschließlich der Hilfsansprüche auf Auskunft und Wertermittlung in Anspruch. Gleichzeitig macht die Klägerin im Wege einer bezifferten Teilklage einen Mindestpflichtteil in Höhe von 50.000,00 € geltend.

Entscheidungsgründe:

Erstinstanzlich:

Auf die Stufenklage erging erstinstanzlich, aufgrund eines Anerkenntnisses der Beklagten, ein Teil-Anerkenntnisurteil. Im Hinblick auf die bezifferte Teilzahlungsklage vertrat die Klägerin die Auffassung, dass diese Teilklage in Kombination mit der unbezifferten Stufenklage zulässig sei. Die Beklagten hielten die Teilklage für unzulässig. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Nachlass in der Folge noch anders darstellen werde.

Das Landgericht hat der Teilklage auf Zahlung von 50.000,00 € erstinstanzlich stattgegeben. Sie begründete die Entscheidung damit, dass die besonderen Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils vorlägen. Der Klägerin könne nicht verwehrt werden, wenigstens den Teil ihres aus § 2303 Abs. 1 BGB folgenden, gemäß §§ 2303 Abs. 1 Satz 2 🔗1924 Abs. 1 und 4 BGB 🔗 mit einem Sechstel des Nachlasswerts zu bemessenden Pflichtteilsanspruchs vorweg zu beanspruchen, der ihr in jedem Fall zustehe.

Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten mit dem Argument, dass der Nachlass noch nicht vollständig aufgeklärt sei. Es werde noch ein notarielles Nachlassverzeichnis errichtet und dazu hat der Notar noch eigene Ermittlungen anzustellen. Daher sei noch nicht ausgeschlossen, dass er zu anderen Zahlen und Werten kommen werde.

Zweitinstanzlich:

Das Oberlandesgericht Karlsruhe kam zu dem Ergebnis, dass die zulässige Berufung der Beklagten begründet ist. Dadurch war das Teilurteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache ans Landgericht zurückzuverweisen. Es begründete dies damit, dass der im Wege einer Teilklage geltend gemachte, bezifferte Anspruch auf den Pflichtteil in Höhe von 50.000,00 € nicht zur Endentscheidung reif war gemäß § 301 Abs. 1 S. 1 Fall 2 ZPO 🔗.

Hierbei stellte das OLG Karlsruhe klar, dass zwischen der Zulässigkeit einer Teilklage und der Zulässigkeit eines Teilurteils, welches nach § 301 ZPO 🔗 beurteilt wird, zu unterscheiden ist. Während die Frage der Zulässigkeit einer Teilklage im Wesentlichen alleine die Teilbarkeit des Anspruchs betrifft und im vorliegenden Fall unproblematisch ist, ist für die Zulässigkeit eines Teilurteils entscheidend, ob bei einer Teilentscheidung (nur) über die bezifferte Teilklage, die in Verbindung mit dem gleichzeitig im Wege der Stufenklage verfolgten Gesamtanspruch erhoben wurde, die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen in einem einheitlich geführten Rechtsstreit besteht.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Teilurteil nur zulässig, wenn die Entscheidung über den Teil unabhängig davon ist, wie der Streit über den Rest ausgehen wird. Damit wird die (auch nur theoretische) Gefahr sich widersprechender Teilurteile – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen.

Da im vorliegenden Fall, aufgrund des nur vorläufigen und unvollständigen Nachlassverzeichnisses, zwischen den Parteien gerade nicht unstreitig war wie hoch der Wert des Nachlass war, war ein Teilurteil über einen Teilbetrag nicht zulässig, da es zu sich widersprechenden Entscheidungen kommen könnte.

Sie haben noch Fragen im Zusammenhang mit dem Pflichtteil? Dann rufen Sie uns gerne an unter 02103 995 41 72 🔗 und vereinbaren einen Beratungstermin. Unsere Fachanwältin Frau Bösch 🔗 ist gerne für Sie da und berät Sie umfassend.