Die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist

Grundsätzlich endet ein Arbeitsverhältnis nach dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung sofort – sprich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – also fristlos. Mehr dazu in unserem Blogbeitrag Die fristlose Kündigung 🔗. Hiervon gibt es allerdings auch Ausnahmen. Der Arbeitgeber kann einen dann zwar außerordentlich kündigen, muss aber dennoch eine Kündigungsfrist (soziale Auslauffrist) einhalten.

Dann spricht man von einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

Was ist die soziale Auslauffrist?

Die soziale Auslauffrist ist eine Art Schonfrist für den Arbeitnehmer. Innerhalb dieser Frist wird der betroffene Arbeitnehmer noch weiterbeschäftigt, weiß aber schon, dass dies nur noch für einen bestimmten Zeitraum so sein wird. Dies kann man also auch als Parallele zur Kündigungsfrist sehen.

Wichtig ist, dass die Aus­lauf­frist min­des­tens so lang sein muss wie die Kündi­gungs­frist, welche der Ar­beit­ge­ber oh­ne die Unkünd­bar­keit be­ach­ten müss­te (vgl. etwa BAG, Ur­teil vom 17.11.2016, Az.: 2 AZR 730/15 🔗).

Wann kommt eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist in Betracht?

Grundsätzlich können Ar­beits­verhält­nis­se immer und von bei­den Ver­trags­par­tei­en ordentlich gekündigt wer­den, solange die Kündigungsfristen und -gründe beachtet werden.

Es gibt aber Ausnahmefälle, in denen die ordentliche Kündbarkeit eingeschränkt ist. Der Arbeitnehmer ist dann unkündbar. Das bedeutet, der Arbeitgeber kann überhaupt nicht ordentlich kündigen, sondern nur außerordentlich, sprich wenn ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB 🔗vorliegt.

Meis­tens folgt diese Unkünd­bar­keit aus ei­nem Ta­rif­ver­trag. Solche ta­rif­ver­trag­li­chen Regeln se­hen vor, dass Ar­beit­neh­mer ab ei­ner ge­wis­sen Be­triebs­zu­gehörig­keit und/oder ab ei­nem be­stimm­ten Alter nicht mehr ordentlich gekündigt werden können – so etwa § 34 Abs.2 Satz 1 Ta­rif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst (TVöD) für das Ta­rif­ge­biet West. Dort steht:

Ar­beits­verhält­nis­se von Beschäftig­ten, die das 40. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben und für die die Re­ge­lun­gen des Ta­rif­ge­biets West An­wen­dung fin­den, können nach ei­ner Beschäfti­gungs­zeit (Ab­satz 3) von mehr als 15 Jah­ren durch den Ar­beit­ge­ber nur aus ei­nem wich­ti­gen Grund gekündigt wer­den.“

Darüber hinaus kann auch das Gesetz eine Unkündbarkeit regeln – so z.B. § 15 Abs. 3 TzBfG 🔗:

„Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.“

Da­nach ist die or­dent­li­che Kündi­gung ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses für beide Seiten, also für den Arbeitgeber genauso wie für den Arbeitnehmer, aus­ge­schlos­sen. Aber man kann die­se ge­setz­li­che Re­ge­lung durch eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag auf­he­ben. Dies ist bei den meisten befristeten Arbeitsverträgen in der Praxis auch der Fall.

Selten kann sich die Unkünd­bar­keit auch aus dem Arbeitsvertrag selbst ergeben.

Kann der Arbeitnehmer bei Unkündbarkeit selber kündigen?

Ja !

Die Unkündbarkeitsregelungen gelten in der Regel nur für den Arbeitgeber, da die Unkünd­bar­keit den Ar­beit­neh­mer vor einer ordentlichen Kündi­gun­g schützen soll und gerade nicht den Ar­beit­ge­ber.

Doch wo es eine Regel gibt, gibt es meist auch ei­ne Aus­nah­me. Diese findet sich indem bereits genannten § 15 Abs. 3 Tz­B­fG 🔗. Danach kann ein befristetes Arbeitsverhältnis weder von dem Arbeitgeber noch von dem Arbeitnehmer ordentlich gekündigt werden.

Kann ein Arbeitnehmer auch vor einer fristlosen Kündigung geschützt, also „rundum unkündbar“ sein?

Nein !

Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung ist nur in Aus­nah­mefällen zulässig, d.h. wenn es dafür ei­nen „wich­ti­gen Grund“ gem. § 626 BGB gibt.

Durch diese sehr engen Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit eine fristlose Kündigung wirksam ist zeigt sich, dass diese Art der Kündigung das allerletzte Mittel des Arbeitgebers darstellt.

Dementsprechend muss ei­ne sol­che „echte“ fristlose Kündi­gung wirksam sein, wenn die Voraussetzungen von § 626 BGB zweifelsfrei vorliegen – auch wenn eine tarifliche Unkündbarkeit für die ordentliche Kündigung besteht! Dies gilt selbst dann, wenn im Ta­rif­ver­trag neben der ordentlichen auch die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen sein sollte.

Ein solches starkes Ausnahmerecht kann man nicht rechtwirksam ausschließen.

Abschließend birgt die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist aber auch die Gefahr, dass so der tarifliche Sonderkündigungsschutz zugunsten des Arbeitgebers ausgehöhlt wird. Um dies zu vermeiden, muss der Arbeitgeber besonders bemüht sein, die Kündigung zu vermeiden (BAG, Urteil v. 27.06.2019, Az.: 2 AZR 50/19 🔗).

Wenn also irgendeine Möglichkeit zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses besteht, muss der Arbeitgeber diese Möglichkeit nutzen.

Eine solche Möglichkeit wäre etwa die Gewinnung von geeigneten Arbeitsplätzen durch Umorganisation und sodann Besetzung durch den tariflich geschützten Arbeitnehmer oder durch Änderung der Arbeitsbedingungen.

Zudem muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl vornehmen.

Hier ist also viel Spielraum für Fehler seitens des Arbeitgebers und damit eine Chance für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage.

 

Wenn Sie eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erhalten haben, rufen Sie umgehend bei uns an unter 02103 995 41 73 und vereinbaren einen Beratungstermin. Unsere Fachanwältin für Arbeitsrecht wird die Kündigung mit Ihnen prüfen und die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage einschätzen. Gerne begleiten wir Sie auch durch das Verfahren.