Die Verdachtskündigung

Wenn ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer kündigen möchte, geht dies fristgerecht (ordentlich) und fristlos (außerordentlich). In beiden Fällen benötigt der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund. (Mehr dazu in unseren früheren Blogbeiträgen rund um die Wirksamkeit von Kündigungen). Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Verstoß nachweisen, so handelt es sich um eine sog. Tatkündigung. Es gibt jedoch auch Situationen, in denen der bloße Verdacht einer Pflichtverletzung für eine Kündigung ausreicht – hier handelt es sich um die sog. Verdachtskündigung.

Bei der Verdachtskündigung ist es – wie der Name vermuten lässt – ausreichend, wenn der Arbeitgeber einen begründeten Verdacht darlegen kann, wonach der Arbeitnehmer höchstwahrscheinlich gegen arbeitsrechtliche Pflichten verstoßen haben könnte.

Eine solche Verdachtskündigung wird in der Regel als fristlose (außerordentliche) Kündigung ausgesprochen.

1. Welche Voraussetzungen müssen vorliegen?

Eine Verdachtskündigung ist nur dann zulässig, wenn objektive Tatsachen starke Verdachtsmomente begründen, diese Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere den Arbeitnehmer angehört hat (BAG, Urteil v. 13.03.2008 – Az.: 2 AZR 961/06 🔗).

Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte, Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines begründeten Verdachtes nicht aus (BAG, Urteil v. 25.10.2012 – Az.: 2 AZR 700/11 🔗).

Nach der ständigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte muss eine Kündigung, die auf einem Verdacht des Arbeitgebers beruht, enge Anforderungen erfüllen, damit sie wirksam ist:

  • Vorliegen objektiver Tatsachen, die den starken Verdacht begründen, dass eine Pflichtverletzung (z.B. Diebstahl, sexuelle Belästigung) begangen worden ist.
  • Geeignetheit dieses Verdachts, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören (BAG, Urteil v. 25.11.2010 – Az.: 2 AZR 801/09 🔗).
  • Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer zum Sachverhalt angehört und damit alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen (BAG, Urteil v. 29.11.2007 – Az.: 2 AZR 725/06 🔗).
  • Bei Bestehen eines Betriebsrats muss dieser ordnungsgemäß angehört worden sein.
  • Die Interessenabwägung ergibt, dass das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers höher wiegt, als das Fortsetzungsinteresse des Arbeitnehmers.

2. Muss der Arbeitnehmer vor einer Verdachtskündigung abgemahnt werden?

Bei der Verdachtskündigung handelt es sich um einen Unterfall der personenbedingten Kündigung, denn durch den begründeten Verdacht ist das Vertrauen des Arbeitgebers in die Person des Arbeitnehmers erschüttert. Dadurch ist eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr gewährleistet (BAG, Urteil. v. 31.01.2019 – Az.: 2 AZR 426/18 🔗).

Deshalb ist in der Regel eine Abmahnung vor dem Ausspruch einer Verdachtskündigung nicht erforderlich.

Ausnahmsweise kann eine vorherige Abmahnung jedoch dann notwendig sein, wenn die Pflichtverletzung eine geringfügige Bagatelle darstellt – etwa der Verdacht des Diebstahls am Arbeitsplatz einer geringwertigen Sache von wenigen Euro. Denn das Bundesarbeitsgericht hat in dem bekannten „Emmely“-Urteil (BAG, Urteil v. 10.06.2010 – Az.: 2 AZR 541/09 🔗) entschieden, dass ein einmaliger nachgewiesener Verstoß, im Bereich der Bagatellvergehen, für eine fristlose Tatkündigung nicht ausreicht. Hier muss der Arbeitnehmer vorher abgemahnt werden.

Dies muss erst recht dann gelten, wenn der Bagatell-Verstoß gerade nicht nachgewiesen ist, sondern nur vermutet wird. Andernfalls wäre eine Verdachtskündigung nicht mehr als verhältnismäßig zu erachten.

3. Muss der Arbeitnehmer immer angehört werden?

Im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts muss der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer zu dem im Raum stehenden Verdacht anhören. Der Umfang der Anhörung und die an sie zu richtende Anforderungen variieren je nach den Umständen des Einzelfalls und sind am konkreten Fall genaustens – rechtsanwaltlich – zu prüfen.

Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Anhörungspflicht, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht als Kündigungsgrund berufen. Die Verdachtskündigung ist dann formell unwirksam (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 16.12.2010 – Az.: 2 Sa 2022/10 🔗).

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht bereit ist, an einer Aufklärung des Verdachts mitzuwirken und/oder er will sich, ohne Angabe von Gründen, nicht zur Sache äußern, so hat der Arbeitgeber seiner Anhörungspflicht schon damit genüge getan, dass er dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt hat.

An einer ordnungsgemäßen Anhörung fehlt es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter einem Vorwand zu einem Gespräch lockt, um ihn dann überraschend mit seinem Verdacht zu konfrontieren. In einer solchen Situation hat der überrumpelte Arbeitnehmer keine Möglichkeit sich in ausreichender Art und Weise gegen die Vorwürfe zu wehren (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss v. 25.06.2009 – Az.: 5 TaBV 87/09 🔗).

4. Was ist bei der Betriebsratsanhörung zu beachten?

Wenn in den Unternehmen des Arbeitgebers ein Betriebsrat existiert, muss dieser vor dem Ausspruch jeder Kündigung gem. § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz 🔗(BetrVG) angehört werden. Erfolgt diese Anhörung nicht, oder nicht vollständig, so ist die ausgesprochene Kündigung formell unwirksam.

Wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch eine Verdachtskündigung beenden möchte, muss er den Betriebsrat auch zu einer Verdachtskündigung anhören.

Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat dagegen nur mit, das er eine Kündigung beabsichtigt und stellt den Verdachtssachverhalt so dar, als sei er tatsächlich bewiesen, so hört er den Betriebsrat zu einer Tatkündigung an. Die tatsächliche Verdachtskündigung ist dann unwirksam, denn die Verdachtskündigung kann nicht als in der Tatkündigung enthaltenes „wesensgleiches Minus“ angesehen werden (BAG, Urt. v. 20.06.2013 – Az.: 2 AZR 546/12 🔗).

Die Darlegungs- und Beweislast für eine ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 BetrVG 🔗 liegt beim Arbeitgeber.

 

Im Rahmen einer Verdachtskündigung bestehen viele Fallstricke für den Arbeitgeber, welche die Unwirksamkeit der Kündigung begründen können. Eine fachanwaltliche Prüfung ist da unabdingbar.

Sollten Sie also mit dem Vorwurf einer Verdachtskündigung konfrontiert sein, kontaktieren Sie unverzüglich telefonisch unter 02103 995 41 73 🔗. Unsere Fachanwältin für Arbeitsrecht 🔗 berät Sie gerne.